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Malerei und Film
Girl With a Pearl Earring (Das Mädchen mit dem Perlenohrring, Großbritannien 2003, Peter Webber) heißt der vorerst letzte Film, der in Form eines Bio-Pics vom Leben eines Malers sowie von der Entstehung seiner Gemälde erzählt. Diese einfachste Form der Beziehung von Malerei und Film hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, die als reine „Vorbildfahndung“ vor allem von Seiten der Kunstwissenschaft eine unverständliche Selbstbescheidung erkennen lässt. Bereits die frühesten Theoretiker des Films sahen, dass jenes neue Bildermachen auf Prägungen fußt, die sich über das wichtige Zwischenglied Fotografie in die Bildende Kunst zurückverfolgen lassen. Wenn es also von Anfang also Verwandtschaften zwischen gemalten Bildern und Filmbildern gab, etwa zwischen einem Gemälde Cézannes und einer „vue“ der Brüder Lumière, ist das direkte Zitat malerischer Vorbilder doch nur ein Sonderfall. Im Moment des Kadrierens sieht der Filmkameramann dagegen immer mit den Augen des Malers bzw. Fotografen: Er übersetzt ein dreidimensionales Geschehen in eine zweidimensionale Fläche; der Unterschied, den die vierte Dimension ausmacht – kein flüchtiger Augenblick wird mehr gebannt; freilich wird auch filmische Zeit vielfältig neu generiert –, hat die Theorie im Sinne des alten Wettstreits der Künste lange bestimmt (Arnheim). Eine Trendwende ist mittlerweile freilich unübersehbar. Sind in heuristischer Absicht die einseitigen Abhängigkeiten und wertenden Differenzen erst einmal überwunden, wird man Augen-Zeuge eines fruchtbaren Dialogs insbesondere auch in der Periode nach dem Stummfilm, der beide Dialogpartner massiv veränderte. Filmpraktiker haben mit Blick auf die Malerei zu allen Zeiten die Möglichkeiten ihres Mediums insbesondere um apriorische Vorgaben von Raum und Zeit, Komposition, Farbe, Licht, Rahmen, On und Off etc. erweitert. Hierzu zählen Regisseure wie Griffith, Dreyer, Lang, Murnau, Eisenstein, Lewin, Godard, Antonioni,Tarkowskij und Greenaway, Kameramänner wie Freund, Alekan, Storaro und andere. Die Verbindung von Film und Malerei wird häufig an Gemälden des optischen 17., des sinnenfreudigen 18. oder des empirischen 19. Jahrhunderts nachvollzogen. Die vielleicht spannendere Geschichte: wie umgekehrt der Bildbegriff der Malerei durch den Film verändert wurde – diese Geschichte bleibt noch zu schreiben.
Literatur: Alekan, Henri: Des lumières et des ombres [1984]. Neufassung Paris: Librairie du Collectionneur 1991. – Andrew, Dudley: Film in the Aura of Art. New Jearsey: Princeton University Press 1984. – Arnheim, Rudolf: Neuer Laokoon. In: Kritiken und Aufsätze zum Film [1938]. München: Hanser 1977, S. 81-112. – Aumont, Jacques: L’oeil interminable. Cinéma et peinture. Paris: Ségnieur 1989. – Bellour, Raymond (Hrsg.): Cinéma et peinture. Approches. Paris: PUF 1990. – Bonitzer, Pascal (Hrsg.): Décadrages. Cinéma et peinture. Paris: Ed. De l‘Etoile 1985. – Bonitzer, Pascal: Peinture. Cinéma. Peinture. Paris: Hazan 1989. – Campari, Roberto: Il Fantasma del bello. Iconologia del cinema italiano. Venedig: Marsilio 1994. – Costa, Antonio: Cinema e Pittura. Turin: Loescher 1991. – Dilly, Heinrich: Ging Cézanne ins Kino? Ostfildern: Ed. Tertium 1996. – Edgerton, Gary R.(Hrsg.): Film and the Arts in Symbiosis. New York [...]: Greenwood 1988. – Nilsen, Vladimir S.: The Cinema as a Graphic Art. On a Theory of Representation in the Cinema. New York: Hill & Wang 1959. Mehrere andere Ausg. - Peters, Jan Marie: Pictorial Signs and the Language of Film. Amsterdam: Rodopi 1981. – Peucker, Brigitte: Incorporating Images. Film and the Rival Arts. New Jearsey: Princeton University Press 1995. Dt. Fassung (Berlin: Vorwerk 8 1999) verfälschend! - Quaresima, Leonardo (Hrsg.): Il cinema e le altre arti. Venedig: La Biennale di Venezia 1996. – Schönemann, Heide: Fritz Lang. Filmbilder-Vorbilder. Berlin: Ed. Hentrich 1992. – Schönenbach, Richard: Bildende Kunst im Spielfilm. Zur Präsentation von Kunst in einem Massenmedium des 20. Jahrhunderts. München: scaneg 2000. – Dalle Vacche, Angela: Cinema and Painting. Austin: University of Texas Press 1996.
Referenzen
von: Thomas Meder